arte.tv zeigt ab heute: Die Shoah in den Ghettos

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 24. Januar 2024 um 01 Uhr 24 Minutenzum Post-Scriptum

 

"Die Welt ist (wie auf) eine(r Matt-) Scheibe" Mit diesem Beitrag wurde vor wenigen Tage die erstmalige Inbetriebnahme eines ’modernen’ Fernsehers vermeldet. Heute wurde die ’Kiste’ erstmals als Begleitmedium bei der Vorbereitung des Abendessens in Betrieb gesetzt. Zum Abschluss wurde kurz vor der Aufnahme der ’Abendschicht’ am Schreibtisch auf den Sender arte HD geschaltet. Und das dort aufgerufene Programm in voller Länge und mit allen Sinnen aufgenommen. Es begann mit diesen Zeilen:

Hier, was dazu in der Programmankündigung zu lesen war:

Die Shoah in den Ghettos [1]

1938 zog Hermann Göring erstmals die Einrichtung sogenannter „jüdischer Wohnbezirke“ in Erwägung. Ein Jahr später wurden im besetzten Polen die ersten Ghettos errichtet. Der Dokumentarfilm erzählt die grausame Geschichte der Ghettos anhand der Aufzeichnungen ihrer Bewohner. Sie zeugen von einer menschlichen Tragödie, aber auch von unbezwingbarem Lebenswillen.
Zwischen 1939 und 1941 wurden in Polen mehr als 600 Ghettos errichtet, in Großstädten wie Warschau und Łódź, aber auch auf dem Land. Diese Vorzimmer des Todes wurden in den heruntergekommensten Vierteln angesiedelt, wo es weder Strom noch fließend Wasser gab. Unzählige Menschen starben an den Folgen von Hunger, Krankheit und Zwangsarbeit. Trotzdem versuchten die Ghettobewohner, ihr Überleben unter diesen extremen Bedingungen so gut wie möglich zu organisieren. Manche Ghettos hatten eine echte Verwaltungsstruktur mit Schulen, Krankenhäusern, Polizei, Feuerwehr und Kultureinrichtungen. Judenräte fungierten als Mittler zwischen Besatzern und Bevölkerung.
Die Juden im Ghetto versuchten, ein möglichst normales Leben zu führen und weiter an eine Zukunft zu glauben. 1941 war ein Wendepunkt. Nach dem Angriff der Nazis auf die Sowjetunion entstanden in den Ostgebieten weitere 600 Zwangssiedlungen. Die Ghettos wurden zu Sammellagern, in die auch Juden aus Deutschland und Österreich verbracht wurden.
Nachdem auf der Wannseekonferenz im Januar 1942 die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen wurde, deportierten die Nazis die Ghettobewohner systematisch in die Vernichtungslager Chelmno, Treblinka, Sobibor und Auschwitz, wo sie vergast wurden. Die wenigen Juden, die sie am Leben ließen, mussten Zwangsarbeit leisten.
Das Leben in den Ghettos wurde von den Juden selbst dokumentiert: in Tagebüchern, Chroniken und Berichten, die gerettet werden konnten und heute übersetzt und veröffentlicht sind. Diese Aufzeichnungen waren für die Menschen ein Mittel, den schrecklichen Alltag zu ertragen und der Nachwelt ein Zeugnis zu hinterlassen – ein bewegendes Zeugnis, das der Film aufgreift, um die grausame und aufwühlende Geschichte der Ghetto-Bewohner aus ihrem eigenen Blickwinkel zu erzählen.

Von den zahlreichen Filmdokumenten über diese Zeit ist dieses ein ganz besonderes. Denn es spricht nicht über die Toten. Es zeigt nicht deren Ermordung. Sondern es lässt jene sprechen, deren Ermordung von langer Hand und systematisch vorbereitet wurde.

Aus der Vielzahl der Eindrücke gibt es Aspekte, die über den aktuellen gesellschaftlichen Kontext hinaus von besonderer Nach-Wirkung sind:

Der Umstand, dass die Binnenverwaltung der Ghettos den jüdischen Einwohnern selbst überlassen wurde. Was dazu führte, dass in diesen heterogenen Umgebungen Strukturen geschaffen wurden, die in der historischen Entwicklung den jüdischen Kongregationen immer wieder verwert geblieben waren: die Entwicklung und Unterhaltung eigener, quasi ’staatlicher’ Einrichtungen.

Der Umstand, dass auch hier vor allem Jene ’Karriere’ machten, die sich mit ihrer Skrupellosigkeit und ’kriminellen Energie’ haben durchsetzen können: Schuggler, Schmierer, Schmarotzer.

Der Umstand, dass es das Aufschreiben, ja sogar das verbotene Fotografieren, in den Kriegstagen nicht nur bis in die Redaktionsräume der BBC geschafft haben, sondern heute auch bis in dieses Filmdokument.

Die Erkenntnis für diese ’Abendschicht’ (und darüber hinaus!), wie wichtig die eigenen Aufzeichnungen einmal werden können, sowohl die zeitbezogenen, als auch die monografischen. Und, dass diesen ein eigenes Konvolut in Form von zeitbasierten Medien an die Seite zu stellen sein wird.

P.S.

HIER gibt es einen Zugang zu dieser DOKU.

Anmerkungen

[1

Regie: Barbara Necek

Land: Frankreich

Jahr: 2023

Herkunft: ARTE F

Dauer: 97 Min.

Verfügbar: Vom 16/01/2024 bis 26/08/2024

Genre: Dokus und Reportagen


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