IFA 1933

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 18. August 2023 um 01 Uhr 51 Minutenzum Post-Scriptum

 

Danke, Frau Brigitte Baetz, dass man sich auf Sie verlassen kann, wenn es um wichtige Themen und Ereignisse der Geschichte des Rundfunks geht. Wir zitieren heute in vollem Umfang Ihren Beitrag aus der Sendung @mediasres im Deutschlandfunk, angekündigt mit dem Titel: 90 Jahre Volksempfänger: Das Radio des NS-Regimes

90 Jahre Volksempfänger: Das Radio des NS-Regimes

Das ist das, was man wohl im Redaktionsjargon ein snippet nennt, der Versuch, mit wenigen kurzen Einspielern Geschichte wieder lebendig, vielleicht sogar bewusst zu machen.

Schön und gut, aber...

... warum wurde dieser Tag nicht zum Anlass genommen, an einem anderen Sendeplatz darauf einzugehen, was eben jener Herr Dr. Goebbels in ’seinem’ Haus der Rundfunks konzipiert und der versammelten Schar der deutschen Intendanten zu Gehör gebracht hat?

Hier zunächst ein weiterer Beitrag aus diesem Hause von Michael Langer vom 18. August 2008 überschrieben mit Goebbels Schnauze [1].

Und dann gibt es diese "ARD Chronik" unter dem Motto "Der Stichtag", produziert von Radio Bremen, umgesetzt von Severino Melchiorre, gesendet am 25. Mai 2023 unter dem Titel: 25.5.1933: Volksempfänger geht in Serie

Die Süddeutsche Zeitung berichtet in ihrer IFA-Chronik in der Ausgabe vom 21. August 2007:

Im August 1933 hatte das Einheitsradio der Nazis seine Premiere auf der IFA. Allein während der Messe verkaufte sich der Volksempfänger mehr als 100.000 Mal.

Im nächsten Jahr wird eben diese IFA als internationale trade show 100 Jahre alt werden - siehe In Vorbereitung: IFA 1924 <-> 2024 - ob dann ein solches Thema überhaupt noch irgendeine Bedeutung finden wird?

P.S.

I.

Am 7. August 2014 veröffentlichte das Statista Research Department einen Überblick über den Anteil der deutschen Haushalte die 1933 und 1941 ein Radiogerät besaßen.

II.

Bereits im Jahr 2003 veröffentlichte Wolfgang König diesen profunden Beitrag über die "Mythen um den Volksempfänger" im Heft 2, Band 70, der Zeitschrift Technikgeschichte:

III.

Ein Foto mit dem Titel Adolf Hitler auf der Funkausstellung 1933 (Adolf Hitler at the IFA -International Radio Exhibition- in 1933) findet sich in den Sammlungen des Montreal Holocaust Museums. (Sollten sich die eigenen Recherchen bestätigen lassen, wurde dieses Foto von Heinrich Hoffmann, Hitlers Haus- und Hof-Fotograf, aufgenommen. WS.)

Iv.

In dem Online-Beitrag der Deutschen Welle von Marcel Fürstenau NS-Plakate: Kunstvolle Propaganda findet sich ein weiteres Foto von akg-images - auf den Seiten dieser Publikation vielfach vertreten - mit der Unterzeile

Neuer Volksempfänger: Propaganda-Minister Goebbels (Mitte) auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) 1939 in Berlin

V.

Im Ruhr Museum in Essen wird ein solches Radio ausgestellt und im Netz angezeigt: Radio Volksempfänger VE 301 W, Radio A.G. D.S. Loewe, Berlin-Steglitz, 1933, allerdings mit der Behauptung:

Der hier ausgestellte VE 301 W war das erste Modell, welches im März 1933 auf der „10. Großen deutschen Funkausstellung in Berlin“ vorgestellt wurde

Es gilt zu unterscheiden zwischen der Rede von Dr. Goebbels an die Intendanten der Reichsrundfunkgesellschaft vom 25. März - seiner Rede an die Filmschaffenden vom 28. März, seiner Rede in München am 23. April - und der öffentlichen Erklärung auf der Berliner Rundfunkausstellung am 18. August 1933:

Goebbels 1933 im SWR2 ARCHIVRADIO

VI.

Zu schlechter Letzt hier dieser Ausschnitt aus der Gobbels-Rede im Berliner Haus der Rundfunks vom 25. März 1933

und die immer noch ’aktuelle’ Werbung für den Sender:

Anmerkungen

[1

Ein Radiogerät mit nur zwei Programmen – das war im Dritten Reich der „Volksempfänger“. Vorgestellt wurde der einfach zu bedienende und preiswerte Apparat zur Eröffnung der zehnten Berliner Funkausstellung am 18. August 1933. Die Nationalsozialisten erkannten schnell, welches Propagandainstrument das Radio sein kann.

[...]

„Die Macht haben wir nun in Deutschland gewonnen, nun gilt es das deutsche Volk zu gewinnen. Der Reichspropagandaleiter der NSDAP gibt für alle Gaue folgende Anordnung bekannt: Der Rundfunk gehört uns! Niemandem sonst.“

Von Anfang an ließ Reichspropagandaminister Joseph Goebbels keinen Zweifel an den totalitären Zielen der Nationalsozialisten. Wenige Wochen nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler sprach er im März 1933 zu den Intendanten und Direktoren der deutschen Rundfunkgesellschaften im Berliner Funkhaus an der Masurenallee:

„Und den Rundfunk werden wir in den Dienst unserer Idee stellen. Und keine andere Idee soll hier zu Worte kommen.“

Auf die Gleichschaltung des Rundfunks folgte die Gleichschaltung und gleichförmige Gestaltung seiner Empfangsapparate. Denn Propaganda und Propagandainstrument konnten logischerweise nur dann flächendeckend erfolgreich sein, wenn möglichst viele Haushalte erreichbar waren:

„Es darf in kürzester Frist in Deutschland keinen Haushalt geben, der nicht dem Rundfunk angeschlossen wäre“

Vor 1933 gab es gut vier Millionen Radioempfangsgeräte, deren Stückpreis mit 200 bis 400 Reichsmark allerdings für die meisten unerschwinglich war. Zur Herstellung einer billigen Alternative konnten die Nazis auf bestehende Ideen zurückgreifen: Das Design des quaderförmigen Bakelitgehäuses von Walter Maria Kersting stammte aus dem Jahr 1928, der Name „Volksempfänger“ war 1929 zum ersten Mal in der Zeitschrift „Funkschau“ zu lesen und bereits 1930 gab es die ersten Versuche der Industrie ein entsprechendes massentaugliches Gerät zu entwickeln, das jedoch keine Marktreife erlangte.

„Ich halte den Rundfunk für das allermodernste und allerwichtigste Massenbeeinflussungsmittel, das es überhaupt gibt.“

Für Goebbels war der „Volksempfänger“ Chefsache. Die deutsche Industrie hatte er angewiesen, einen technisch einfach gehaltenen Apparat herzustellen. 28 Radiofirmen fertigten folglich als baugleiches Gemeinschaftsprodukt das von Otto Griessing entwickelte Gerät, das auf Mittelwelle lediglich den Bezirkssender und auf Langwelle den Deutschlandsender empfangen sollte. Die Serienfertigung begann im Mai und schon am 18. August 1933 wurde pünktlich zur Eröffnung der zehnten Berliner Funkausstellung der „Volksempfänger“ präsentiert, Typenbezeichnung VE-301, wobei die Abkürzung VE für Volksempfänger und die Zahl 301 für den Dreißigsten Ersten, also den 30. Januar 1933, den Tag der Machtergreifung Hitlers stand.

„Das ist das Wunder unserer Zeit, dass Ihr mich gefunden habt, einen unter vielen Millionen!“

„Ganz Deutschland hört den Führer mit dem Volksempfänger“ – so lautete der Werbeslogan, der damals den Verkauf begleitete. Der Preis des „Volksempfängers“ war mit 76 Reichsmark günstig und verlockend. Allein in den ersten beiden Tagen der Funkausstellung wurden 100.000 Geräte abgesetzt. Und bereits zwei Jahre später, 1935, zog Goebbels folgende Bilanz:

„Der Gedanke des Volksempfängers setzte sich aber so erfolgreich durch, dass bis heute weit über 1.300.000 Apparate hergestellt wurden. Es braucht dabei nicht verschwiegen zu werden, dass um die Auflegung der ersten Serien heftige Kämpfe ausgefochten worden sind, bis der entschiedene Wille der politischen Führung und die wirtschaftliche Vernunft zum Siege kamen.“

Bis zum Mai 1939 konnte die Zahl der gebührenpflichtigen Rundfunkteilnehmer auf Zwölfeinhalb Millionen gesteigert werden – nicht zuletzt dank der Erweiterung der Produktpalette: Zum VE 301 gesellten sich der „Arbeitsfunkempfänger“ und der „Deutsche Kleinempfänger“, ein Gerät das nur noch 35 Reichsmark kostete und im Volksmund „Goebbels Schnauze“ hieß.


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